„Recruiting 4.0“ konfrontiert die Personalbeschaffung mit den Themen Automatisierung, Virtualisierung und Robotisierung. Die Studie „Recruiting Trends 2020“ von Monster bringt auf den Punkt, dass der aktuelle Status der digitalen Transformationim Personalwesen durchaus positiv bewertet werden kann. Der für die Studie konzipierte Digitalisierungsscore zeigt auf einem Spektrum von eins (niedrige Digitalisierung) bis sieben (hohe Digitalisierung) bei den Top-1000-Unternehmen durchschnittlich einen Wert von 4,1 und bei den Unternehmen aus der IT-Branche einen Durchschnittswert von 4,5 an (Monster 2020).
Einen Meilenstein der digitalen Transformation stellt die Künstliche Intelligenz dar. Etwa jedes zwanzigste der Top-1000-Unternehmen verwendet mittlerweile KI im Personalwesen, in der IT-Branche werden KI-Anwendungen von einem Fünftel der Unternehmen eingesetzt und mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen ist gegenüber KI inzwischen sehr offen eingestellt (Monster 2020). Die Mehrheit der Personaler erwartet, dass KI besonders in der Mitarbeitersuche für Unternehmen die größten Veränderungen bereithalten wird (BPM 2019). Dabei bieten inzwischen alle Phasen der Candidate Journey eines (potenziellen) Bewerbers Einsatzmöglichkeiten für KI-Anwendungen.
Das nachfolgende 6-Phasen-Modell der Candidate Journey (Verhoeven 2016, hier ergänzt um die einzelnen KI-Anwendungen) zeigt Anwendungsszenarien von KI in den einzelnen Phasen:
Durch das sogenannte Programmatic Job Advertising – das vollautomatisierte Ausspielen von Online-Stellenanzeigen – wird Bewerbern genau der Inhalt online angezeigt, der durch lernende Software-Tools für sie als relevant beurteilt wurde. Informiert sich der Bewerber anschließend näher über das Unternehmen, stellen selbstlernende Chatbots ein Mittel dar, um Bewerbern Fragen zu beantworten. In der Bewerbungsphase können Matching-Lösungen, die einen Abgleich von Jobangebot und Kandidatenprofil vornehmen, Bewerbern sowie Unternehmen einen Mehrwert liefern. Der Einsatz von digitalen Persönlichkeitstests kann durch die Analyse von Sprache, Mimik und Gestik bei der Vorauswahl von Bewerbern unterstützen. Immer mehr Firmen greifen mittlerweile auch auf die Unterstützung von Apps und Softwares zurück, um den Onboarding-Prozess des Bewerbers zu gestalten. War der Bewerbungsprozess erfolgreich, kann der neue Mitarbeiter während seines Arbeitsalltags mit vielfältigen KI-Anwendungen in Berührung kommen.
KI bietet somit das Potenzial für Unternehmen, zu einer Vereinfachung und Beschleunigung von täglichen Aufgaben beizutragen und damit eine Effizienzsteigerung zu erzielen. In erster Linie soll sie die Arbeit eines Recruiters ergänzen aber nicht ersetzen – der zwischenmenschliche Faktor zwischen Recruiter und Kandidat ist weiterhin elementar.
Daneben bietet der Einsatz von KI auch Herausforderungen, zum Beispiel was ethische Fragestellungen oder das Thema Datenschutz anbelangt. Hiermit müssen sich Unternehmen ebenso auseinandersetzen wie mit den Potenzialen der Anwendungen. Inwiefern sich digitale Anwendungen letztlich auf das Recruiting jedes einzelnen Unternehmens auswirken, steuern Unternehmen insofern selbst, als dass sie bewusst abwägen müssen, welchen digitalen Trends es sich lohnt zu folgen und welchen weniger, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Es bleibt interessant zu beobachten, welche Technologien sich auf lange Sicht im Recruiting etablieren werden – sei es im Bereich der Künstlichen Intelligenz oder darüber hinaus.