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Expertengespräch #1

Worauf achten Sie vor Einstellung eines Kandidaten ganz besonders? – Antwort auf diese und weitere spannende Fragen liefern unsere drei Recruiting-Experten Tim Verhoeven – Leiter Recruiting und Personalmarketing Central Continental Europe, BearingPoint, Frank Glaser – HR Business Partner Wholesale Banking ING und Michael Widowitz – Associate Director, BCG, im Interview.
Frank GlaserTim VerhoevenMichael Widowitz
Was hat sie bewogen in den Personalbereich zu gehen und dort zu bleiben?

Herr Glaser: Nach meinem Studium der Psychologie, fand ich den Bereich der Personalberatung sehr spannend. Die Themen Personalauswahl und Assessmentcenter waren für mich total interessant.
Herr Verhoeven: Vor 12 Jahren habe ich, während meines Studiums, in einer Personalberatung gearbeitet. Eigentlich fand ich das Thema damals total uninteressant, bis ich irgendwann mein erstes Interview geführt habe. Von diesem Moment an hatte ich Blut geleckt.
Herr Widowitz: Recruiting ist bei BCG eine der Kernfunktionen, da unser Geschäft kontinuierlich wächst, und wir eine breite Expertenbasis benötigen – in meinem Fall im Themenbereich Banking und Risk Management – um inhaltlich mit den Fragestellungen unserer Kunden mithalten zu können. Zunehmend rekrutieren wir sogenannte Experienced Hires, die neben analytischer Stärke und interpersonellen Fähigkeiten, vor allem tiefe praktische Expertise mitbringen – denn diese wird von unseren Kunden vorausgesetzt!

Wir arbeiten mit Menschen. Da kann einiges passieren. Gibt es eine lustige Geschichte, die Sie mit uns teilen möchten?

Herr Glaser: Eine lustige Geschichte in dem Sinne fällt mir so spontan leider nicht ein. Schön ist es natürlich, wenn man ein Projekt erfolgreich abschließen kann, an dem sich vorher schon so manch anderer Berater erfolglos versucht hat. Einer meiner damaligen Kandidaten, den ich einmal erfolgreich vermittelt habe, ist bis heute glücklich in diesem Unternehmen. Das sind 17 Jahre. So etwas freut mich sehr.
Herr Verhoeven: In meinem Berufsleben habe ich schon einige Interviews geführt. Da erlebt man eine ganze Menge und fast das gesamte Spektrum an möglichen Reaktionen der Kandidaten. Das geht von Tränenausbrüchen bis hin zu Unflätigkeit. Und das ist ganz unabhängig vom Kontext des Interviews. Bei meinem jetzigen Unternehmen gab es aber noch keinen solchen Zwischenfall (lacht).
Herr Widowitz: Nicht aus dem Recruiting direkt, aber aus dem Leben: ich checke in einem neueröffneten Hotel ein, spätabends und muss gleich am nächsten Morgen wieder sehr früh raus. Bespreche diesen Sachverhalt mit dem Herrn an der Hotelrezeption und lasse mir auch ein Taxi reservieren. Ich erhalte meine Schlüsselkarte und bin sozusagen „fertig“. Dann frage ich, ob ich denn bitte auch gleich auschecken könnte – also die Rechnung begleichen, damit ich das nicht um 6 Uhr in der Früh machen muss. Der Herr prüft kurz, ob und wie es möglich ist, die Rechnung zu bezahlen aber das Zimmer dennoch nicht bereits „freizugeben“. Und dann fragt er mich: „Hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt?“
Dann haben wir beide gelacht. Wie so oft: einstudierte und optimierte Standardprozesse sind gut, aber der menschliche Hausverstand muss immer eingeschaltet bleiben!

Zurück zum Geschäft. Was unterscheidet Personalarbeit und auch Recruiting vor 10 Jahren von unserem Job heute?

Herr Glaser: Meines Erachtens liegt der Hauptunterschied von damals zu heute in der Digitalisierung. Vor 12 Jahren begrenzten sich die Möglichkeiten im Recruiting und der Kontaktaufnahme zu Kandidaten auf das Telefon und ein persönliches Treffen. Heute gibt es eine Vielzahl von Medien und Vernetzungsmöglichkeiten. Xing, Twitter oder Facebook ermöglichen da ganz neue Kontaktoptionen, die technologische Vernetzung ist heute viel besser. Ich erinnere mich daran, zu Beginn meiner Karriere Skizzen und Notizen für die Recherche gemacht zu haben. Oder es wurden ganze Telefonlisten mit Kandidaten per Hand zusammengeschrieben. Der Fokus liegt heute mehr auf der Personalarbeit selbst. Administrative Aufgaben werden zunehmend von Programmen erfüllt, sodass wir doch deutlich von den entsprechenden Systemen profitieren.
Herr Verhoeven: Recruiting ist im Vergleich zu damals deutlich schwieriger geworden. Die Marktlage hat sich ebenfalls stark verändert. Heute ist alles digital. Im Vergleich hatte man früher mehrere Wege der Bewerbung, beispielsweise Papierbewerbungen oder Annoncen in der Zeitung.
Herr Widowitz: Im Markt ist vielen Menschen nicht bewusst, wie breit BCG als Strategieberatung aufgestellt ist. Wir machen inzwischen viel mehr als 2×2-Matrizen mit Hunden und Kühen auf bunte Folien zu schreiben – es wird mit Big Data gearbeitet, wir haben Experten für Risk Management, für Regulatorik, für Operations, für IT… und unsere Projekte zielen auf unmittelbare Veränderung ab, die wir mit unseren Kunden gemeinsam erreichen wollen. Reine Konzeptpapiere, die gut aussehen und dann in der Schublade liegen, machen wir nicht.

Was sind Ihres Erachtens die größten Herausforderungen bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter?

Herr Glaser: Zu den größten Herausforderungen zählt heute die enorme Konkurrenz. Auch die Rangplätze einzelner Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder stark verändert. Ein Unternehmen, welches früher sehr beliebt war, muss das heute nicht mehr sein. Auch müssen wir für die junge Zielgruppe deutlich machen, dass das Arbeiten in einer Bank heute nicht mehr nur „am Schalter“ stattfindet oder gar langweilig ist.

„Heute haben Arbeitnehmer eine immense Auswahl an potenziellen Arbeitgebern, und diese somit eine hohe Konkurrenz.“

– Frank Glaser, HR Business Partner Wholesale Banking ING

Hinzu kommt, dass die Konkurrenz sich nicht nur auf einzelne Banken untereinander bezieht, sondern auch branchenübergreifend stattfindet. In diesem Sinne hat auch das Recruiting stetig an Bedeutung gewonnen. Ich sehe uns zunehmend in der Rolle, den potenziellen Mitarbeitern ein zufriedenstellendes Package zu basteln, auch im Sinne des Recatchen. Wenn also ein potenzieller Mitarbeiter seine Wechselbereitschaft wieder verringert, weil der noch aktuelle Arbeitgeber seine Arbeitsbedingungen verbessert.
Zu Beginn meiner Karriere schaltete man Anzeigen in Printmedien. In der heutigen Zeit stehen uns viele weitere Medienangebote zur Verfügung. Daraus ergibt sich aber auch die Herausforderung, diese richtig einzusetzen. Kommunikation und die Begleitung während des gesamten Prozesses sind nach wie vor wichtig. Big Data kann uns sicherlich bezogen auf die Sollbruchstellen, die es in unserer Tätigkeit gibt, gut helfen.
Herr Verhoeven: (lacht) Das sind komplizierte Personalberater! Ich denke eine neue Herausforderung ist der War for Talents, also die Nachfrage nach den Hochkarätern. Kandidaten haben heute viel mehr Auswahlmöglichkeiten, als das vor einigen Jahren der Fall war. Die Kandidaten können heute beispielsweise 10 Jobangebote haben, aus welchen sie dann frei auswählen können, was am besten zu ihnen passt.
Herr Widowitz: Expertise und Innovationskraft sind heute wesentlicher denn je. Und umgekehrt: „das haben wir immer schon so gemacht“ ist ein falsches Argument. Mehr denn je müssen wir uns heute kontinuierlich hinterfragen und bereit sein Neues auszuprobieren. Dabei wird man auch scheitern – aber „fail fast“ ist hier die Devise. Ohne Experimente auch keine Innovation.

Was müssen Unternehmen auf der einen und Personalberater auf der anderen Seite heute tun, um im Wettbewerb zu bestehen?

Herr Glaser: Meiner Meinung nach sollten sich die Personalberater auf einen bestimmten Bereich fokussieren und spezialisieren, sodass sie sich am Markt wie ein Fachberater positionieren. Da ist ein hoher Spezialisierungsgrad notwendig.
Seitens des Unternehmens, sollte man sich in verschiedenen Medien präsentieren und nicht nur auf ein Pferd setzen. Die Menschen müssen an der Stelle, an der sie sich gerade befinden gezielt abgeholt werden. Da ist es auch wichtig, die einzelnen Medien – wie bereits gesagt – entsprechend der Zielgruppe, gezielt zu bespielen. Auch muss unbedingt der richtige Ton getroffen werden. Gelingt dies nicht, kann daraus schnell ein Shitstorm entstehen, was früher vielleicht nur ein „laues Lüftchen“ gewesen wäre.
Themen wie das Employer Branding und die Überlegung, was bietet man als Unternehmen, müssen klar kommuniziert werden. Das kann beispielsweise über Messeveranstaltungen stattfinden.
Herr Verhoeven: Um im Wettbewerb bestehen zu können, sollte man mutig sein. Es ist wichtig die eigene Person auch selbstkritisch zu betrachten und bei der Reflexion Ecken und Kanten festzustellen. Im Rahmen des Employer Brandings spielt Einzigartigkeit eine zentrale Rolle. Manchmal stellt man dann fest, dass das, was für einzigartig gehalten wurde, gar kein Alleinstellungsmerkmal ist. Das passiert meist je geringer die Differenzierung ist.

Bewerber Kompetenzen
Worauf achten Sie vor Einstellung eines Kandidaten ganz besonders?

Herr Verhoeven: Natürlich ist die inhaltliche Passung besonders wichtig. Denn in der Unternehmensberatung hat ein Mitarbeiter viel Kundenkontakt. Da ist ein qualifiziertes Auftreten von zentraler Bedeutung. Aber mindestens genauso wichtig ist es, dass der Kandidat ins Team passt. Wir haben hier eine geringe Fluktuation und das auch, weil der Spirit im Team passt. Einzelkämpfer und eine Ellbogengesellschaft haben da keinen Platz.
Herr Widowitz: Neben allen fachlichen Eigenschaften, Erfahrungen und Ausbildungen achtet BCG stark auf den „persönlichen Fit“ – hohe Integrität, persönliche Reife, ein ausgeprägtes Wertesystem. Wer seinen Kunden manchmal auch unangenehme Wahrheiten vermitteln können soll, muss zunächst seinen eigenen inneren Kompass wohlkalibriert haben.

Es wird viel geschrieben, aber einiges scheint an den Haaren herbei gezogen. Welche Trends sehen Sie in unserem Geschäft und was glauben Sie, wo das hinführt?

Herr Verhoeven: Ich denke da gibt es mehrere Trends. Einen großen Bereich stellt wohl alles rund um das Thema Digitalisierung dar. Sprich Analytics oder programmatisches Analysieren. Grundlegend ist der Online-Bereich viel differenzierter. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Wenn Sie bei Amazon etwas kaufen, dann bekommen Sie künftig ähnliche Produkte angezeigt. Oder Ihr Google-Ranking passt sich an die vorherigen Suchbegriffe an und macht Ihnen dazu passende Vorschläge. Dasselbe haben Sie auch beim Social-Media-Riesen Facebook. Denkbar ist es, dass es so etwas auch in Zukunft mit Stellenanzeigen gibt. Sodass aufgrund der Informationen zum Online-Verhalten, eine viel genauere Ansprache möglich ist. Durch die Suchbegriffe kann dann auf den Beruf geschlossen werden und gezielt eine solche Stellenanzeige präsentiert werden. Technisch ist das schon heute kein Problem. Außerdem hat sich der Arbeitnehmermarkt stark verändert. Dennoch glaube ich persönlich nicht, dass die Anzahl der Arbeits- bzw. Wechselwilligen sinkt. Vielmehr steigt die Tendenz zu einer erhöhten Anzahl der Wechsel seitens der Arbeitnehmer. Es wird Gang und Gebe werden, dass Arbeitnehmer nur drei bis vier Jahre in einem Unternehmen bleiben. Auch in Zeiten des demografischen Wandels wird die Nachfrage im Recruiting viel größer werden. Das Missverhältnis steigt also weiter. Aus diesem Grund gewinnt der Wissenstransfer weiter an Bedeutung. Das ist eine ganz andere Dynamik. Retention Management wird wichtiger werden. Derzeit ist der Schmerz seitens Unternehmen noch nicht groß genug, um in diesem Bereich aktiver zu werden.

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